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Körperliche Aktivität und Insulinantwort: Welche Rolle spielt unser Darmmikrobiom?
Diabetes ist weltweit eine der am weitesten verbreiteten Stoffwechselkrankheiten. Bei der häufigsten Diabetesform, dem Typ-2-Diabetes (T2D), reagieren die Körperzellen zunehmend unempfindlich auf das Hormon Insulin, das von bestimmten Zellen, den sog. Beta-Zellen, in der Bauchspeicheldrüse gebildet wird und die Aufnahme von Zucker aus dem Blut in die Zellen fördert. Bei einem diagnostizierten Diabetes oder der Vorstufe (Prädiabetes), raten Therapeuten meist zu einer Ernährungsumstellung, Gewichtsreduktion und mehr körperlicher Aktivität. Interessanterweise profitieren nicht alle Patienten von sportlicher Betätigung. Eine Publikation in Cell Metabolismus zeigt, dass die Zusammensetzung des Darmmikrobioms eine entscheidende Rolle dabei spielen könnte, ob Sport tatsächlich vor Typ-2-Diabetes schützt.
Die wichtigsten Marker für die Stoffwechselgesundheit sind der Blutzuckerspiegel und das Insulin
Wenn wir Kohlenhydrate essen, schüttet unsere Bauchspeicheldrüse Insulin aus, das Hormon, das den Zucker (Glukose) zur Energiegewinnung in die Körperzellen befördert und so den Blutzuckerspiegel herunterreguliert. Patienten mit einer Stoffwechselerkrankung, wie T2D, sind insulinresistent, d.h. die Körperzellen sprechen nicht mehr ausreichend auf Insulin an, was folglich zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel im Blut führt.
Bewegung ist ein besonders wichtiger Bestandteil der Diabetes-Therapie
Es ist bereits bekannt, dass Sport oder eine regelmäßige körperliche Betätigung förderlich für einen gesunden Stoffwechsel ist. T2D-Patienten wird deshalb explizit empfohlen, mehr Sport zu treiben. Überraschenderweise scheinen einige Betroffene in Bezug auf Insulinsensitivität und Blutzuckerbalance nicht oder nur wenig von dieser Therapieform zu profitieren. Nun könnte man sich folgende Frage stellen: Spielt ein verändertes Darmmikrobiom hier eine ausschlaggebende Rolle?
Zusammenhang zwischen Darmbakterien und Diabetes Typ-2
Wissenschaftliche Erkenntnisse deuten darauf hin, dass eine unausgewogene Darmmikrobiota tatsächlich eine große Rolle bei der Insulinresistenz von T2D-Patienten spielt. Es wurde im Januar 2020 eine Pilot-Studie veröffentlicht, um den möglichen Einfluss der Darmmikrobiota auf die individuelle Stoffwechselreaktion durch Bewegung zu zeigen. Es wurden 39 Patienten mit erhöhten Blutzuckerwerten rekrutiert, die zudem übergewichtig waren. Die Studienteilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip entweder einer 12-wöchigen bewegungsreichen oder einer bewegungsarmen Gruppe zugeteilt. Am Ende der Studie zeigte die Sport-Gruppe tatsächlich unterschiedliche Reaktionen in Bezug auf den Blutzucker und die Insulinsensitivität. Die Forscher untersuchten daraufhin die mikrobielle Zusammensetzung im Darm der Studienteilnehmer. Das Mikrobiom derjenigen, deren Stoffwechselprozesse (Blutzucker, Insulin) positiv auf Bewegung reagierten, wies vermehrt Bakterien auf, die entzündungshemmende Stoffwechselprodukte (wie kurzkettige Fettsäuren) synthetisieren. Diese Stoffwechselprodukte beeinflussen wiederum den Energiehaushalt und die Glukosebalance positiv. Im Gegensatz dazu war das Mikrobiom der Studienteilnehmer, die nicht von Sport profitierten, durch Bakterien gekennzeichnet, die erhöhte Mengen entzündungsfördernder Verbindungen wie Glutamat produzieren.
Insgesamt zeigte diese Studie, dass die Darmmikrobiota höchstwahrscheinlich einen wesentlichen Einfluss darauf hat, ob eine Person auf Bewegung gut anspricht, nämlich in Form eines verbesserten Blutzuckerstoffwechsels und einer verbesserten Insulinsensitivität, oder nicht. Die Effektivität einer Ernährungsumstellung oder Sport, die beide auf eine Verbesserung der allgemeinen Stoffwechselgesundheit abzielen, scheint je nach Darmmikrobiom einer Person sehr individuell zu sein.
Möglicherweise werden in Zukunft Empfehlungen zur Verbesserung der Stoffwechselgesundheit direkt auf eine Mikrobiom-Modulation hinführen
Ausgewählte, wissenschaftlich untersuchte Probiotika könnten in Zukunft als eine gesundheitsförderliche Begleittherapie diverser Stoffwechsel-Erkrankungen eingesetzt werden. Das Forschungsfeld im Bereich des Mikrobioms bleibt also spannend!
Quellen
Liu et al., Gut Microbiome Fermentation Determines the Efficacy of Exercise for Diabetes Prevention. Cell Metabolism, 2019. doi: 10.1016/j.cmet.2019.11.001